Bericht im Heuberger Boten: 26.02.2010
(SPAICHINGEN/sz) „Archiv“ steht auf einem kleinen Schild an der Tür hinter dem Büro im TV-Vereinsheim. Was sich dahinter verborgen hat, war ein Sammelsurium an Papieren, Pokalen, Ordnern, Ehrenkränzen, Fotos und gebundenen Büchern. Dass aus dem Vermächtnis nun wirklich ein Archiv geworden ist, das hat der Turnverein aber Dietmar Schanzenbach und Karl-Heinz Damm zu verdanken.
Von unserer Redakteurin Regina Braungart
Eine Blechkiste steht noch in dem kleinen Raum und eine leere Vitrine. Ein riesiges geschwungenes Horn, gefasst in Metall mit dem Emblem des Deutschen Turnerbunds hängt an einem Knauf. Wofür das Horn einmal verliehen wurde und wozu es diente, das wissen die beiden Archivler nicht.
Karl-Heinz Damm und Dietmar Schanzenbach (v.l.) verrichten noch Restarbeiten. Sie haben das Archiv des TV sortiert. |
Das Papier und Devotionalien gewordene Gedächtnis des Turnvereins ist über die Jahre ziemlich durcheinander geraten. Das ist bei einem fast 150-Jährigen auch kaum anders zu erwarten. Und innerhalb eines Jahres ist dieses betagte unsortierte Gedächtnis wieder zum Jungspund geworden. Dietmar Schanzenbach und Karl-Heinz Damm haben mit einer „Verjüngungskur“ dafür gesorgt. Jetzt tragen die Spezialkartons und Papiermappen jede eine Zahl.
Das Herzstück aber ist ein 23-seitiges Heft, das ganz genau auflistet, was sich hinter den Zahlen verbirgt. „Findbuch“ nennt sich das gute Stück. In 13 Kapiteln von „Vorstand“ über „Mitgliederverzeichnisse“ „Liegenschaften“, „Veranstaltungen“ und „Memorabilen“ bis hin zu „Bibliothek“ sind nun rund 150 Jahre Vereinsgeschichte fein säuberlich sortiert. Wenn also der Verein in drei Jahren Jubiläum feiert, werden die Chronisten auf eine ganz neue Qualität an Quellen zurückgreifen können.
Was mit dem Impuls: „Da muss man mal aufräumen“, den Schanzenbach als Vorstandsmitglied für die Liegenschaften hatte, verbunden war, das haben er und sein Mitstreiter Karl-Heinz Damm schnell gemerkt. Jede Woche durchschnittlich zwei Stunden haben beide, anfangs mit Unterstützung der Senioren Weißer und Riedmiller, mit sichten, sortieren, recherchieren zugebracht. Eine ungeheure Arbeit, denn ohne professionelle Systematik nützt das beste „Aufräumen“ nichts. Beim Gasthaus „Zu den sieben Winden“ waren die Sachen früher gelagert. Ein altes Protokollbuch zeigte schon Spuren von Mäusezähnchen. Damals hat Anton Honer die Sachen gerettet und ins TV-Heim gebracht.
Fachlichen Rat haben sich die beiden TV-Archivare beim Museumsleiter in Aldingen geholt, Roland Heinisch, den Schanzenbach anlässlich einer Ausstellungs-Zusammenarbeit seines Arbeitgebers kennen gelernt hatte. Und in einem Büchlein des Instituts für Sportgeschichte. Das Ziel lautete: fertig sein bis zur Hauptversammlung 2010. Das ist gelungen. Zwischendurch mussten die Akten und Archivkisten kurzzeitig ausgeräumt werden, denn als Sortier- und Arbeitsraum haben sich Damm und Schanzenbach einen Umkleideraum ausgesucht. Beim Turnier unterm Jahr wurde der aber für seinen Ursprungszweck gebraucht. Jetzt sind sie nur noch mit Restarbeiten beschäftigt und hoffen, dass das nun gut sortierte Gedächtnis des Turnvereins vielleicht einmal in einem der künftigen Mediathek angeschlossenen Vereinsarchiv unterkommen und dann in einer Art Präsenzbibliothek für Recherchen zur Verfügung stehen kann.
Wie viele Hürden Damm und Schanzenbach in der Aufarbeitung des Archivs überwinden mussten, lässt sich nur erahnen: Am Anfang stand das Wissen über die Methode, dann wurde alles, was entweder unsortiert, gebunden oder in Ordnern – teils mit wenig aufschlussreichen Aufschriften wie „Protokolle“ versehen – war, mit laufenden Nummern auf Karteikärtchen versehen. Wenn es sich um Schriftstücke handelte, die in Sütterlin-Schrift geschrieben sind, zogen Schanzenbach und Damm ein Vorlagen-Alphabet zu Rate, oder schrieben in heutigen Buchstaben ab, was sie entziffern konnten, um den Rest dann nach Recherchen zu ergänzen.
Oder: In den 70er-Jahren wurde alles unsortiert – von der Rechnung über den Zeitungsausschnitt bis hin zum Protokoll gebunden. Was tun? Auseinandernehmen und zuordnen, das wäre eine Sisyphos-Arbeit geworden – und wäre auch der Zeit nicht gerecht geworden. „Roland Heinisch hat uns geraten, das beieinander zu lassen, auch um zu dokumentieren, wie damals archiviert wurde.“ Stattdessen gibt es jetzt Querverweise auf die Inhalte dieser Sammlungsbücher.
„Wir haben uns immer gefragt: Wenn einer etwas braucht, wie würde er danach suchen? – Und daraus entwickelte sich die Struktur“, erläutert Damm. Dazu kam Wissen ums Papier (Archivmaterialien müssen in säurefreiem Karton verstaut werden) und auch darum, dass Metallklammern die Papiere zerstören.
Beim Durchblättern einer Mappe stockt Schanzenbach: Da ist noch eine Kupferklammer. Der routinierte Griff zum Zwicker zeugt davon, wie viele Klammern die beiden schon aus den Dokumenten geholt haben. Spaß hat die Arbeit aber gemacht, meinen beide. Denn neben Vereins- ist auch Zeitgeschichte aus den Dokumenten zu lesen. Zum Beispiel gibt es ein Flugblatt, auf dem die Vorstände der großen Sportvereine ihre Mitglieder dazu aufgerufen haben, einen bestimmten Kandidaten – Bernhard Stehle – in den Gemeinderat zu wählen. Heute ist sowas kaum mehr denkbar.
Jetzt sind Damm und Schanzenbach aber froh, dass die Arbeit getan ist, Roland Heinisch war begeistert, als er das Findbuch gesehen hat. Noch gibt es kein extra Regal für die Archivkartons, das würde nämlich 500 Euro kosten. Die mit Zahlen versehenen Kartons kommen jetzt vorerst wieder in das Räumchen mit der Aufschrift „Archiv“. Jetzt trägt es seinen Namen mit Recht.